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Hallo und willkommen zurück ihr Schimpansen-Enthusiasten! Wir sind zurück mit einem neuen Beitrag um euch von dem sozialen Leben der Schimpansen zu erzählen! Wenn es um das Soziale geht, sind Schimpansen nicht weniger auf ihre Freunde angewiesen, als wir auch. Jedoch ist es wichtig auch die klaren Unterschiede zwischen Mensch und Schimpanse festzustellen, mit denen eine Beleuchtung dieses Themas einhergeht. Unser heutiger Artikel wird beide Seiten dieser Medaille etwas genauer betrachten.


Seit Jahrzehnten streitet sich die Wissenschaft über die mentalen Fähigkeiten von Schimpansen und versucht herauszufinden über welchen Grad an "Theory of Mind" (Gallup, 1970) sie möglicherweise verfügen. "Theory of Mind" ist eine wichtige sozial-kognitive Fähigkeit die das Nachdenken über geistige Zustände erlaubt. Zum einen kann über die eigenen, aber auch über fremde geistige Zustände nachgedacht werden.

Eine aktuelle Studie in der Zeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) mit dem Titel "Great apes use self-experience to anticipate an agent’s action in a false-belief test" (2019) lieferte einen wesentlichen Beitrag zu der Frage, inwiefern unsere "nahen Verwandten" ein Verständnis für die Perspektiven anderer haben. Zusätzlich dazu hilft solche Forschung auch dabei klarzustellen, welche Aspekte bereits von 6-9 Millionen Jahren bei unseren letzten gemeinsamen Vorfahren vorhanden waren und welche Aspekte sich ausschließlich beim Menschen entwickelt haben. Zu diesem und umliegenden Themen gibt es insgesamt eine riesige Bandbreite an Studien. Das wesentliche Problem an diesen Studien ist jedoch, dass die Erkenntnisse von Schimpansen in Gefangenschaft stammen. Obwohl die Verhältnisse dadurch nicht automatisch schlecht für die Schimpansen sein müssen, befinden sie sich aber nicht in einem Umfeld, für das ihr Gehirn und ihr Körper sich entwickelt haben. Jedoch lassen sich diese wichtigen Fragen mit Feldforschung fast bis gar nicht beantworten, da viele relevante Faktoren nicht kontrolliert werden können, mal abgesehen von ethischen Fragen die hier noch gar nicht berücksichtigt wurden. Über die Jahrzehnte hinweg haben Verhaltensforscher nichtsdestotrotz viel über Schimpansen gelernt in dem sie sie einfach nur in ihrem Alltag in der Wildnis beobachtet haben. Natürliche Habitate erlauben uns immer wieder spannende neue Dinge über Schimpansen zu lernen und zu entdecken. Zum Beispiel in Bezug auf ihr Zusammenleben und darüber, wie ihr Verstand funktioniert. Schimpansen sind unter anderem für ihre Kooperationsfähigkeit bekannt. Diese zeigt sich besonders deutlich in Jagdsituationen, Verteidigung des Territoriums und in der Bildung von Bündnissen (Boesch, 1994).


Ein weiteres interessantes Thema aus dem Bereich des sozialen Alltags der Schimpansen ist das soziale Lernen. Kurz erläutert, bedeutet soziales Lernen die Weitergabe von Wissen zwischen mindestens zwei Beteiligten. Bei uns Menschen hat dieser Vorgang zu einer facettenreichen kulturellen Welt geführt. Aber wie steht es hier um andere Primaten? Diese Frage wurde unter anderem von Primatologen, Psychologen und Anthropologen lange diskutiert. Bezogen auf Schimpansen lässt sich festhalten, dass sie zwar kein so komplexes Kultursystem besitzen wie wir, es aber dennoch Hinweise auf das Vorhandensein von Kultur gibt. Beispielsweise haben Forscher standortspezifische Unterschiede zwischen Schimpansenpopulationen feststellen können und Verhaltensweisen entdeckt, die über mehrere Generationen weitergegeben wurden. Diese Erkenntnisse überschneiden sich mit dem, was Jane Goodall bereits in ihren ersten Beobachtungen an Schimpansen festgestellt hat. Einige Bereiche in denen Unterschiede zwischen den Populationen ausfindig gemacht werden konnten sind: Werkzeugnutzung, gezieltes Werfen, Nestbau, Körperpflege, Regentänze und Balzrituale. Unterschiede zwischen den Populationen oder auch Gruppen von Schimpansen kann auch bedeuten, dass bestimmtes Verhalten gar nicht gezeigt wird. Besonders interessant ist hier, dass Schimpansengruppen, die sich im gleichen Ökosystem bewegen teilweise komplett unterschiedliche Verhaltensweisen entwickeln obwohl sie Zugang zu den gleichen Materialien haben (Luncz et al., 2012). Teilweise lässt sich das auf eventuelle "Lektionen" zwischen Mutter und Nachwuchs zurückführen, die wiederum gruppenspezifisch sind. Jedoch lernen Schimpansen nicht nur von ihren Müttern, sondern auch von anderen Gruppenmitgliedern. Um unsere Ausführung zu Kultur zu einem Ende zu bringen hier noch ein spannendes Beispiel: Eine Studie konnte nachweisen, dass im Wald des Kibale Nationalparks in Uganda Schimpansen Honig mit Hilfe eines Stocks aus Baumstämmen extrahieren, während die Schimpansen im Budongo-Wald, der knapp 200km entfernt (auch in Uganda) liegt, Blätter zerkauen und diese als eine Art Schwamm benutzen um den Honig aus besagten Baumstämmen zu holen (Brunette, 2020).



Schimpanse isst Schildkröte (standort-spezifisches Verhalten)


Nun wollen wir aber auch noch ein wenig in andere wichtige Themen des sozialen Alltags der Schimpansen eintauchen, die nicht weniger interessant sind: Emotionen. Man geht davon aus, dass Emotionen sich durch Gesichtsausdrücke beschreiben lassen (Ekman & Friesen, 1971). Die Informationen, die so ein Gesichtsausdruck mit sich bringt können einiges über Motivation und Intention verraten. Bei uns Menschen wird diesem Forschungsbereich bereits seit Jahrzehnten nachgegangen (Ekman, 1997). Wissenschaftler haben jedoch auch ein Instrument entwickelt, mit dem es möglich sein soll das ganze auf Schimpansen auszuweiten (ChimpFACS). Das identifizieren prototypischer Gesichtsausdrücke mithilfe dieser Instrumente kann dabei helfen, die Wissenschaft voranzubringen in dem es Standards zur Auswertung zur Verfügung stellt (Parr et al., 1998). Nichtsdestotrotz ist es schwierig gutes Bildmaterial von Emotionen zu erlangen, da sie meist nur in schnell vorübergehenden Situationen zu beobachten sind. Trotz dieser Hürden sind aber dennoch viele spannende Befunde zu Tage geführt worden. Einer dieser Befunde ist, dass Empathie bei Schimpansen nachgewiesen werden konnte und sie sich gegenseitig helfen und unterstützen. Ein Beispiel dafür in Gefangenschaft ist das "Tchimpounga Chimpanzee Rehabilitation Centre". Dort wurde beobachtet das Schimpansenweibchen Waisen "adoptierten". Das ist aber auch etwas, was in der Wildnis beobachtet wurde, wie zum Beispiel im "Tai Chimpanzee Project" in der Elfenbeinküste. Dort hat das Schimpansenmännchen Fredie auch Waisen aufgenommen sich um sie gekümmert und beschützt, bis sie alt genug waren für sich selbst zu sorgen. Es ist auch noch wichtig zu sagen, dass Schimpansen leiden, wenn sie ihrer sozialen Kontakte und ihres natürlichen Umfelds beraubt werden. Das kann sich in Depressionen und anderen negativen emotionalen Zuständen äußern. Obwohl Auffangstationen überall auf der Welt das Beste geben, dass es den Schimpansen gut geht, gehören sie trotzdem in die Wildnis!


Nun da wir ein wenig über die mentalen und kulturellen Möglichkeiten von Schimpansen berichtet haben, lasst uns doch noch ein wenig in die sozialen Strukturen und Hierarchien einsteigen. Aber seit gewarnt, die sozialen Strukturen von Schimpansen sind nicht so simpel wie man eventuell denken könnte und ab und zu ist es möglicherweise so verworren wie bei Game of Thrones (aber Vorsicht: den Vergleich bitte nicht allzu ernst zu nehmen). Jedoch kann das komplexe Gefüge aus Freund, Feind, Gruppe und Machtstrukturen für spannende Phänomene sorgen, die es sich lohnt näher zu untersuchen.


Lasst uns für dieses Thema aber vielleicht ganz "oben" anfangen - mit dem Alpha-Männchen. Um ein Alpha-Schimpanse zu werden gibt es aber nicht nur den einen Weg, sondern es kommt vielmehr auf die Persönlichkeit des jeweiligen Schimpansen an und welchen Stand seine Mutter hat und hatte. Eine Gemeinsamkeit die alle Alpha-Schimpansen jedoch haben, ist ein starkes Bündnis mit anderen untergeordneten Schimpansen. Diese Unterstützer sind essentiell für das Erlangen und Aufrechterhalten von Macht in einer Gruppe. Verbündeter ist aber nicht gleich Verbündeter. Manche sind früher Spielkameraden gewesen, manchmal sind es die eigenen Brüder oder aber "neue Freunde", die ihren Stand in der Gruppe verbessern wollen. Es kann auch sein, dass sich neue Bündnisse formen, um den alten Anführer zu stürzen. Ein Großteil des Lebens eines männlichen Schimpansen dreht sich also um das Auf und Ab im Machtgefüge (für die Interessierten hier ein Link zu einem Beispiel: "The Fall of Ferdinand"). Dieser stetige Machtkampf kann für interessante Einblicke und Veränderungen in das Sozialgefüge der Schimpansen sorgen (Brittany Cohen-Brown, 2018).


Aber wie steht es um die weiblichen Schimpansen? Welchen Platz nehmen sie in der Hierarchie ein? Zuerst einmal ist aber wichtig zu sagen, dass es auch Alpha-Weibchen gibt! Der Hauptunterschied zu denn Männchen ist, dass sie tendenziell weniger Aggression und Gewalt zur Zielerreichung einsetzen. Bei ihnen läuft viel mehr über Langzeit-Beziehungen und Persönlichkeitseigenschaften um den Platz in der Hierarchie zu sichern oder zu verbessern. Jedoch geht es nicht immer so zu. Alpha-Weibchen können auch zum Einsatz von Gewalt neigen, besonders wenn andere Weibchen von niedererem Rang sie verärgern. Den Vorteil den ein Schimpansen-Weibchen vom Alpha-Status hat ist: bessere Chancen auf Fortpflanzung und Zugriff zu besserer Nahrung. Wie bereits erwähnt, hat es der Nachwuchs von höherrangigen Weibchen leichter und genießt in der Regel selbst höheren Status (Brittany Cohen-Brown, 2018).


Ein weiterer interessanter Aspekt über Schimpansen ist das sie keine Kernfamilien haben sondern eher promiskuös sind. Das hat folgenden Vorteil: Keiner weiß so recht wer der Vater ist. Das sorgt dafür, dass Weibchen und ihr Nachwuchs weniger Angst haben müssen angegriffen zu werden und bietet somit indirekten Schutz. In ganz seltenen Fällen kommt es jedoch schon mal dazu das Weibchen (aufgrund von Wettbewerb um Nahrung) und Männchen (aus Rivalität) den Nachwuchs der anderen ihrer Gruppe umbringen. Es ist auch wichtig anzumerken, dass Männchen in der Regel in der Gruppe bleiben in die sie geboren wurden, während die Weibchen um das Jugendalter herum in andere Gruppen wechseln (de Waal, 2005).


Wo wir schon mal beim Thema Männchen und Weibchen sind, ist es nicht uninteressant auch einen Blick auf die "Erziehung" der beiden Geschlechter zu werfen. Hier sollte man sich aber hüten starke Vergleiche zum Menschen zu machen. Zum Großteil sind die Männchen nicht in die Erziehung und Aufzucht involviert. Das hat mit den promiskuösen Strukturen zu tun, die wir eben angesprochen haben. Interessanterweise hat aber eine Studie vor kurzem herausgefunden, das manche Väter ihren Nachwuchs scheinbar doch erkennen und sich dementsprechend positiver gegenüber ihm Verhalten (Murray et al., 2016). Jedoch sind die Gründe dafür noch nicht vollends verstanden. Man kann also sagen, die Mütter haben die ganze harte Arbeit zu bewältigen. Wie auch bei uns Menschen gibt es in der Mutter-Kind-Beziehung bei Schimpansen unterschiedliche Erziehungsstile (im weitesten Sinne). Manche Mütter sind recht protektiv andere sind etwas entspannter.


Mutter mit Kind


Zum Schluss würden wir gerne noch einen Blick auf die düsteren Seiten des sozialen Lebens der Schimpansen werfen. Dafür nehmen wir uns einem Thema an, bei dem wir lange Zeit glaubten es sei einzigartig für uns Menschen - Krieg. Krieg gibt es theoretisch überall dort, wo Schimpansengruppen auf andere Schimpansengruppen treffen. die Gründe dafür können verschieden sein. Beispielsweise kann es motiviert sein durch: Verteidigung des Territoriums, Wettbewerb um Futter, Raub und vieles weiteres. Der bekannteste Vorfall dahingehend war der "Gombe Krieg" der vier Jahre lang in der 1970ern herrschte. Alles begann durch den Tod des Alpha-Männchens. Dadurch spaltete sich die ursprüngliche Gruppe in den "Norden" und den "Süden". Die größere der beiden Gruppen drang anschließend immer wieder in das Gebiet der anderen ein. Stießen sie auf Mitglieder der anderen Gruppe attackierten sie sie und ließen sie zum Sterben zurück. Das führte schlussendlich zur Auslöschung der anderen Gruppe.


Noch seltener als diese Gewalt zwischen Schimpansen ist die Gewalt zwischen Schimpansen und anderen Spezies. Hier bei uns in Loango haben wir 2019 die ersten Beobachtungen von Schimpansen gemacht, die Gorillas attackierten. In beiden Fällen waren die Schimpansen in der Überzahl. Das Resultat: zwei getötete Gorillababys. Was sind die Gründe für diese Attacken? Wir vermuten, dass es mit Wettbewerb zwischen den Spezies zu tun hat oder die Gorillababys möglicherweise als Beute interpretiert wurden. Es könnte aber auch sein das die Schimpansen die Gorillas als Eindringlinge in ihr Territorium wahrgenommen haben, ähnlich wie es auch bei anderen Schimpansengruppen der Fall ist.

Interesse mehr über diesen Vorfall zu erfahren? Dann folgt dem nachfolgenden Link zu unserer Publikation in der Zeitschrift Nature: https://www.nature.com/articles/s41598-021-93829-x


Wir hoffen, dass all das über was wir heute berichtet haben einen ungefähren Einblick in die interessante und komplexe soziale Welt der Schimpansen und der Forschung diesbezüglich gegeben hat. Nichtsdestotrotz gibt es noch viel weiteres zu entdecken!


Das ist jedoch erstmal alles was wir zu diesem Thema sagen wollen. Haltet euch bereit für weitere Beiträge.



Mit freundlichen Grüßen

Das Ozouga-Blogging-Team





Quellen:


  1. Gallup, G. G., Jr. Chimpanzees: Self-recognition. Science 167, 86-87 (1970)

  2. Kano, F., Krupenye, C., Hirata, S., Tomonaga, M., & Call, J. (2019). Great apes use self-experience to anticipate an agent's action in a false-belief test. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 116(42), 20904-20909. https://doi.org/10.1073/pnas.1910095116

  3. Boesch, C. Cooperative hunting in wild chimpanzees. Animal Behavior 48, 653-667 (1994).

  4. Luncz, L., Mundry, R., & Boesch, C. (2012). Evidence for Cultural Differences between Neighboring Chimpanzee Communities. Current Biology, 22(10), 922-926. doi: 10.1016/j.cub.2012.03.031

  5. Matt Brunette, JGI Canada Volunteer (2020, June 9). Do Chimpanzees Have Culture? Jane Goodall. https://janegoodall.ca/our-stories/chimpanzees-and-culture/

  6. Ekman, P., & Friesen, W. V. (1971). Constants across cultures in the face and emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 17(2), 124–129. https://doi.org/10.1037/h0030377

  7. Ekman P. Should we call it expression or communication?. Innovations in Social Science Research, 1997, vol. 10 (pg. 333-44)

  8. Parr LA, Hopkins WD, de Waal FBM. The perception of facial expressions in chimpanzees (Pan troglodytes), Evolution of Communication, 1998, vol. 2 (pg. 1-23)

  9. Cohen-Brown, B. (2018, July 11). From Top to Bottom, Chimpanzee Social Hierarchy is Amazing! Jane Goodall’s Good for All News. https://news.janegoodall.org/2018/07/10/top-bottom-chimpanzee-social-hierarchy-amazing/

  10. de Waal, F. A century of getting to know the chimpanzee. Nature 437, 56–59 (2005). https://doi.org/10.1038/nature03999

  11. Murray Carson M., Stanton Margaret A., Lonsdorf Elizabeth V., Wroblewski Emily E. and Pusey Anne E. 2016 Chimpanzee fathers bias their behaviour towards their offspring, R. Soc. open sci.3160441160441

  12. https://releasechimps.org/chimpanzees/intellect-and-emotion

  13. http://www.conservenature.org/learn_about_wildlife/chimpanzees/chimp_mothering.htm


Aktualisiert: 1. Okt. 2021

Im Englischen gibt es den Ausspruch: „Health is wealth!“. Natürlich gilt das für alle Spezies, die auf diesem Planeten leben. Aufgrund des Umstands, dass Schimpansen als bedrohte Spezies gelten ist es selbstverständlich, dass auch für sie Gesundheit eine kritische und entscheidende Rolle spielt. Deshalb wollen wir heute das Thema Gesundheit etwas genauer betrachten. Dafür wollen wir einigen Fragen auf den Grund gehen, wie zum Beispiel: Warum steigt die Mortalitätsrate? Welche Einflüsse hat die Pandemie auf die Gesundheit der Schimpansen? Haben Schimpansen die Fähigkeit zur Selbstmedikation? Zu guter Letzt wollen wir dann noch einen Blick auf die Richtlinien werfen, die an unserem Forschungsstandpunkt angewandt werden, damit die Gesundheit der Schimpansen nicht gefährdet wird.


Bezüglich der Mortalitätsrate gibt es zum einen natürliche Gründe. Dazu gehören Krankheit, Kämpfe zwischen verschiedenen Horden oder aggressives Verhalten zwischen Schimpansen unabhängig von der Horde der sie zugehörig sind. Diese Befunde lassen sich mit vernachlässigbaren Abweichungen überall feststellen. Nichtsdestotrotz gibt es auch andere Gründe, wie beispielsweise Verlust von Lebensraum (durch den Menschen) oder Wilderei. Im Großen und Ganzen sterben die verbleibenden Schimpansen die es gibt aber an natürlichen Krankheitsverläufen. Spitzenreiter sind hier die Atemwegserkrankungen (Williams und Kollegen, 2008). Jedoch ist nicht zu vernachlässigen das der Kontakt von Mensch und Schimpanse dazu führen kann, dass Viren oder Bakterien ihren Weg in den Lebensraum den Schimpansen finden. Passiert das, fehlen den Schimpansen in der Regel die Möglichkeiten das drohenden Unheil über ihr Immunsystem abzuwenden. Unabhängig davon ist auch noch wichtig zu sagen, dass auch die Überlebensrate von kleinen Schimpansen sehr gering ist, falls die Mutter frühzeitig verstirbt (Williams und Kollegen, 2008).


Aggressionen zwischen verschiedenen Schimpansenhorden wirken sich am stärksten auf die Männchen aus, aber auch die kleinen Schimpansen werden teilweise in Mitleidenschaft gezogen, unabhängig vom Geschlecht (Mitani und Kollegen, 2010). Gründe für das Davonscheiden nach dem Aufeinandertreffen der Horden sind in der Regel starke Verletzungen, denen die Schimpansen dann anschließend erliegen. Aggressionen, die vom Menschen ausgehen (Wilderei), sind ein afrikaweites Thema. Die Präsenz von Wissenschaftlern kann sich zwar gut auf Letzteres auswirken (als Lesetipp hier unser Artikel „Warum Forschung Schutz bedeutet!“), kann aber genauso gut das Risiko erhöhen, dass Krankheiten von Mensch auf Schimpanse übertragen werden (Köndgen und Kollegen, 2008).


Die Pandemie hatte starken Einfluss auf uns Menschen, aber wie steht es um unsere evolutionär engen Verwandten? Ist SARS-CoV-2 auch ein Problem für sie? Die Antwort ist ja und schimmerte schon ein wenig durch unseren bisherigen Beitrag hindurch. Zum einen kann es durch Forschungsarbeit mit habituierten Schimpansen passieren, jedoch sind Wilderei und Affentourismus auch Teil der Gleichung. Der Affentourismus stellt sich als Dilemma dar, da er in vielen Ländern auch eine wichtige Quelle an Einnahmen darstellt, die dem Risiko der Krankheitsübertragung gegenübersteht. Verluste von Einnahmen könnten sich wiederum negativ auf die Maßnahmen zur Erhaltung von Schimpansen auswirken. Bei uns in Loango hat aufgrund der Gefahren die von UNS ausgehen der Schutz der Schimpansen höchsten Stellenwert.


Nun gut… jetzt ist aber erstmal Schluss mit dem Negativen und wir wechseln zu etwas interessanterem! Es gibt nämlich die Vermutung, dass traditionelle Heilmedizin sich daraus entwickelt hat, dass unsere Vorfahren sich das Verhalten bei anderen Tieren abgeschaut haben. Schimpansen sind hierbei nur eine von vielen Spezies die bei Selbstmedikation beobachtet wurde (Huffman, 2001). Dabei machen sie sich die Ressourcen ihrer Umgebung zu nutze. Dieses Verhalten nennt man auch Zoopharmakognosie (Daoudi, S., 2016). Die zwei markantesten Verhaltensweisen, die man diesbezüglich beobachten konnte sind das Schlucken von Blättern und Kauen auf bitteren Kernen. Erste Beobachtungen dazu stammen aus Tansania und Uganda (Huffman, 2001). 1983 waren Wissenschaftler überrascht als sie bei Schimpansen feststellten, dass diese die Blume Aspilia zu sich nahmen. Überraschend war es, weil die Aspilia keinen Nährwert für die Schimpansen hatte (Wrangham und Kollegen, 1983). Erst 13 Jahre später fand man heraus, dass dieses Verhalten mit Selbstmedikation in Verbindung steht. Die Schimpansen versuchen sich über die Einnahme der Aspilia von einem Parasiten zu befreien (Huffman und Kollegen, 1996). Dabei ist interessant, dass die Blätter rau und stachelig sind. Diese Eigenschaft ermöglicht es, dass die Blätter am Parasit haften bleiben und er über das Verdauungssystem ausgeschieden werden kann. Nun aber auch noch zu den besagten bitteren Kernen. Diese stammen von der Vernonia Amygdalina. Auch hier haben Wissenschaftler festgestellt, dass ihr Konsum mit schlechter Gesundheit in Verbindung steht. Was bewirken die Kernen der Vernonia Amygdalina? Sie helfen bei einer Wurminfektion! Eine Studie von Huffman (2001) zeigte, dass die Symptome der Infektion circa 20-24 Stunden nach er Einnahme der Kerne besser wurden. Es werden aber noch mehr Pflanzenspezies genutzt! Jedoch haben sie alle eines gemeinsam: die raue und stachelige Oberfläche. Die Dosis der Medikation kann variieren (~1-60 Blätter).


Bilderquellen: João Medeiros und Forestowlet


Nun aber doch noch einmal zurück zu uns Menschen. In unserer sich stetig verändernden Welt kommen Menschen und andere Spezies unweigerlich in Kontakt. Wie bereits weiter oben beschrieben hat der Kontakt mit uns für die andere Seite meist keine so rosigen Folgen. Schimpansen und auch andere Menschenaffen werden durch den Menschen und seinen Expansionsdrang und die daraus resultierenden Folgen für ihren Lebensraum immer wieder auf die Probe gestellt. Jedoch wurden gerade für solche Umstände Richtlinien für den Umgang entwickelt um Gesundheit und Sicherheit nicht noch weiter zu gefährden. Bei uns in Ozouga wenden wir daher streng die „Best Practice Guidelines for Great Ape Tourism“ (2010) der „International Union for Conservation of Nature“ (IUCN) an. Auch wenn der Name nicht direkt darauf hinweist, gelten diese Regularien für Forschungsstationen weltweit! Diese Richtlinien vermitteln wie wir ethisch korrekt in geteilten Lebensräumen (Mensch versus Schimpanse in unserem Fall) agieren können. Die wichtigste Regel für die Interaktion hierbei ist DISTANZ! Hier ist sogar festgelegt das es einen Abstand von acht Metern geben muss. Eine Regel, die wir auch bereits vor der Pandemie sehr ernst genommen haben! Zusätzlich dazu gilt, dass unser Einfluss auf das tägliche Leben der Schimpansen sich auf das Minimum begrenzt. Eine weitere wichtige Regel ist das Tragen von Mund-Nasen-Masken. Wissenschafts- und Tourismusprojekte konnten feststellen, dass wir über unseren Atemtrakt einige Krankheitserreger übertragen können, die fatale Folgen für die Schimpansen haben können. Dazu gehören zum Beispiel das humane respiratorische Synzytial-Virus (HRSV), das humane Metapneumovirus (HMPV) oder das Rhinovirus. Das Tragen von Masken ist einfach umsetzbar, günstig und hat sich als effektiv erwiesen!


Zusätzlich zu diesen Regularien gibt es aber auch noch einen anderen wichtigen Aspekt: das Einhalten von Hygienemaßnahmen. 2017 haben wir eine „Hygienebarriere “ in unserem Camp errichtet, die eine klare Trennung von Arbeit in- und außerhalb des Camps ermöglicht. Dazu lagern wir die Kleidung aus der Feldforschung in einer Hütte und jeder muss sich umziehen, wenn man von einem langen Tag wieder zum Camp zurückkommt. Das Händewaschen ist über den ganzen Tag hinweg obligatorisch. Zudem gibt es strenge Regeln, was im Regenwald bleiben darf und was nicht. Wer den ganzen Tag unterwegs ist der muss auch mal auf Toilette. Da das Hinterbliebene aber potentielle Gefahr birgt wird es mit ins Camp genommen und dort entsorgt. Zudem darf auch nur gesundes Personal mit. Wird man mal etwas krank begibt man sich in Quarantäne. In schlimmeren Fällen muss man auch schon mal die Forschungsstation verlassen.

In den letzten Jahren haben wir auch ein Langzeitüberwachungssystem für unsere habituierten Schimpansen eingeführt. Wir überprüfen die Gesundheit unseren Schimpansen täglich und schauen ob sie Krankheitssymptome (Schnupfen, Husten, Diarrhö) aufweisen. Zudem überwachen wir auch den Genesungsprozess von Verletzungen gründlich. Wenn wir einen Schimpansen ausfindig machen der Krankheitssymptome aufweist heften wir uns an seine Fersen (natürlich nach den oben beschriebenen Richtlinien) und versuchen Proben von Blut, Urin oder Kot zu sammeln, wenn es möglich ist. Mithilfe dieser Daten haben wir einen guten Überblick über die Gesundheit unserer Schimpansen.


Wir haben nun ausgiebig erklärt, was wir tun um die Schimpansen in Ozouga bestmöglich zu beschützen. Gibt es etwas was Sie tun können? Natürlich! Sie können uns unterstützen indem Sie die Öffentlichkeit über unsere bedrohten Schimpansen in Kenntnis setzen. Falls es Ihnen möglich sein sollte uns eventuell finanziell zu unterstützen, damit wir unsere Arbeit und damit auch indirekt den Schutz der Schimpansen gewährleisten können wären wir Ihnen auch sehr dankbar. Sollte Letzteres möglich sein folgen sie dem Link, um zu unserem Spendenkonto zu gelangen.


Das war es von uns fürs erste, wir hoffen wir konnten Ihnen ein paar neue und interessante Einblicke bieten. Bis demnächst!


Mit besten Grüßen,

Das Ozouga-Blogging-Team


Quellen:


  1. Daoudi, S. (2016, June 2). How other primates self-medicate – and what they could teach us. The Conversation. https://theconversation.com/how-other-primates-self-medicate-and-what-they-could-teach-us-59869

  2. Wrangham, R.W., Nishida, T. Aspilia spp. Leaves: A puzzle in the feeding behavior of wild chimpanzees. Primates 24, 276–282 (1983). https://doi.org/10.1007/BF02381090

  3. Huffman, M.A., Caton, J.M. Self-induced Increase of Gut Motility and the Control of Parasitic Infections in Wild Chimpanzees. International Journal of Primatology 22, 329–346 (2001). https://doi.org/10.1023/A:1010734310002

  4. HUFFMAN, M. A. (2001). Self-Medicative Behavior in the African Great Apes: An Evolutionary Perspective into the Origins of Human Traditional Medicine. BioScience, 51(8), 651. https://doi.org/10.1641/0006-3568(2001)051

  5. Köndgen, Sophie et al. “Pandemic human viruses cause decline of endangered great apes.” Current biology : CB vol. 18,4 (2008): 260-4. doi:10.1016/j.cub.2008.01.012

  6. Williams, J M et al. “Causes of death in the Kasekela chimpanzees of Gombe National Park, Tanzania.” American journal of primatology vol. 70,8 (2008): 766-77. doi:10.1002/ajp.20573

  7. Mitani, J. C., Watts, D. P., & Amsler, S. J. (2010). Lethal intergroup aggression leads to territorial expansion in wild chimpanzees. Current Biology, 20(12), R507–R508. https://doi.org/10.1016/j.cub.2010.04.021

  8. Best practice guidelines for great ape tourism | IUCN Library System. (2010). Best Practice Guidelines for Great Ape Tourism. https://portals.iucn.org/library/node/9636


Aktualisiert: 2. Okt. 2021


Schimpansen (Pan troglodytes) gehören zu unseren engsten Verwandten. Unser genetischer Code überschneidet sich zu 98%. Es gibt nur ein Problem. Sie werden immer weniger! Schätzungen zufolge gibt es nur noch ungefähr 170,000 bis 300,000 wild lebende Schimpansen. Der Trend ist weiterhin nicht vielversprechend.

Die einschneidendsten Faktoren, die eine Gefahr für die Schimpansen darstellen lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner zurückführen - den Mensch!

Zu den Gefahren, die wir den Schimpansen aussetzen gehören unter anderem: Wilderei, der Verlust von Lebensraum und Krankheiten (auch solche, die wir auf die Schimpansen übertragen). Diese drei Faktoren sind momentan hauptursächlich für die Bedrohung der Schimpansen.


Leider ist die Bekämpfung dieser Faktoren nicht so einfach. Die Gegenden in denen Menschen und wilde Tiere, zum Beispiel Menschenaffen, aufeinandertreffen, sind häufig Gegenden in denen der Zugang zu Bildung und die finanzielle Situation der Anwohner eine erschwerende Bedingung darstellen. Das bedeutet unter anderem, dass die lokale Bevölkerung verzweifelt nach Wegen sucht, wie sie sich und ihre Familien versorgen können.


Glücklicherweise, scheint es jedoch einen Lösungsansatz für unser Problem zu geben, der besonders vielversprechend scheint: FORSCHUNG!


Einige Studien zeigen nämlich, dass die Präsenz von Forschern und Forschungscamps einen positiven Einfluss auf den Bestand von Schimpansen hat.

Pusey und Kollegen (2007) konnten zum Beispiel vier Vorteile von Forschungen im Gombe Nationalpark in Tansania feststellen.

  1. Durch Jane Goodall's bahnbrechende Forschung, die uns die Dringlichkeit des Schutzes der Schimpansen aufgezeigt hat, kam es zu Aufmerksamkeit für das Forschungsgebiet, in dem sie arbeitete. Das resultierte sogar darin, das Gombe zum Nationalpark erklärt wurde. Das brachte eine Menge Vorteile für das dortige Ökosystem und seine Bewohner mit sich.

  2. Ihre Forschung zog weltweite Unterstützung für Gombe und Tansania mit sich: Touristen und Geldgeber sorgten dafür, dass die finanziellen Mittel zum Erhalt der Region, des Parks und dem Schutz der Schimpansen gegeben waren.

  3. Die Forschung lieferte essentielle Informationen über soziale Strukturen und die Nutzung des Lebensraums der Schimpansen. Nicht nur im Gombe Nationalpark, auch an vielen anderen Orten.

  4. Ihre detaillierte Forschung erlaubte ein genaues Verfolgen der dortigen Schimpansen-population und half dabei wichtige Bedrohungen für sie zu identifizieren.


Des Weiteren konnten andere Studien zeigen, dass die Präsenz von Forschern einen starken positiven Effekt auf das Unterbleiben von Wilderei in der Nähe des Forschungsstandortes hat. (Köndgen und Kollegen, 2008).


Zusammengenommen können wir also behaupten, dass wir mit Forschung zwei von drei möglichen Bedrohungen (Wilderei und Verlust von Lebensraum) angehen können. Leider können Forscher mit ihrer Präsenz oder der sogenannte "Affentourismus" das dritte Problem aber noch verstärken - die Übertragung von Krankheiten. Diese beiden Umstände bringen Mensch und Schimpanse unvermeidbar näher zusammen (Köndgen und Kollegen, 2008), oft mit fatalen Konsequenzen für die Schimpansen.


An dieser Stelle ist es nur fair zu fragen, in welchem Verhältnis die Risiken der Forschung (und des "Affentourismus") zu den Vorteilen stehen? Jedoch ist an dieser Stelle auch anzumerken, dass Forschung überhaupt erst das Entdecken dieser Umstände möglich gemacht hat. Mal abgesehen davon, dass Forschung gleichzeitig auch Methoden bereitstellt, mit denen wir die Gefahren minimieren oder beseitigen können.

Zum Beispiel haben Köndgen und Kollegen (2008) auch zeigen können, dass ein kontrollierter und regulierter Kontakt von Mensch zu (Menschen-)Affe das Risiko für die Übertragung von Krankheiten stark verringern kann. Konkret bedeutet das Abstand beim beobachten und das Tragen einer Maske. Letzteres sollte aufgrund der aktuellen globalen Pandemie ein vertrauter Umstand sein.


Zu alledem kommt auch noch hinzu, dass Forschung uns Wissen bereitstellt. Wissen ist Kernbestandteil für das Finden von Lösungen. Wissen ermöglicht zudem auch noch Bildung. Bildung kann als Konsequenz den Schutz von Schimpansen bedeuten.


Deswegen sagen wir: Forschung bedeutet Schutz!




Quellen


Köndgen, S., Kühl, H., N'Goran, P. K., Walsh, P. D., Schenk, S., Ernst, N., ... & Leendertz, F. H. (2008). Pandemic human viruses cause decline of endangered great apes. Current Biology, 18(4), 260-264.


Pusey, A. E., Pintea, L., Wilson, M. L., Kamenya, S., & Goodall, J. (2007). The contribution of long‐term research at Gombe National Park to chimpanzee conservation. Conservation Biology, 21(3), 623-634.




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